Männlicher Lehrer im Gespräch mit einem Schüler.
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»Erfahrungen haben gezeigt, dass Schüler:innen, die während der Durchführung des Drehtürmodells gut begleitet und gecoacht wurden, sehr viel mehr von dieser Maßnahme zur Begabungsförderung profitiert haben.«

Kreativ oder organisiert, mit Plan oder „einfach drauflos“, hoch motiviert oder eher abwartend – die Herangehensweisen von Schüler:innen, die an einer Drehtürmaßnahme teilnehmen, sind so unterschiedlich wie die Personen selbst. Daher sollten die Schüler:innen dabei in ihrem Lernprozess begleitet und durch eine Lernberatung unterstützt werden. Eine individuelle Beratung ist auch deshalb notwendig, weil die Art, wie eine Drehtür ausgestaltet wird, immer individuell verschieden ist.


Der folgende Leitfaden kann daher nicht umfassend sein, aber dennoch von der Lehrperson als grobe Orientierung für den Gesprächsablauf in einer Lernbegleitung zu einer Drehtürmaßnahme eingesetzt werden. Die grafische Darstellung auf dem „Weg-Poster“ (siehe Grafik unten) kann während des Gesprächs den Schüler:innen als Orientierungshilfe dienen und ihnen ihre Fortschritte während der Durchführung der Drehtürmaßnahme deutlich vor Augen führen. Dazu kann es hilfreich sein, die Grafik im Beratungsraum während des Gespräches an die Wand zu hängen und die Wegstrecke der Schülerin/des Schülers, die in dem Einzelgespräch thematisiert wird, zu markieren.

Start der Drehtür oder Beziehungsaufbau als Grundlage

Das Erstgespräch zu Beginn des Drehtürmodells hat eine wichtige Bedeutung für das Gelingen der beratenden Begleitung: Hier geht es um einen initialen Beziehungsaufbau sowie den Aufbau von Vertrauen zwischen der Schülerin/dem Schüler und der beratenden Lehrperson. Für alle Beratungsgespräche ist eine angenehme Gesprächsatmosphäre, die durch eine ansprechende Raumgestaltung erreicht wird, hilfreich. Es empfiehlt sich, das Gespräch mit auf das Alter und die Persönlichkeit der Schüler:innen abgestimmten Icebreakern zu beginnen.

Die Lehrperson kann dann ihre Wertschätzung hinsichtlich der Bereitschaft der Schülerin/des Schülers zur Teilnahme am Drehtürmodell ausdrücken und ihre/seine Erwartungen, Wünsche und Ziele an das Drehtürmodell erkunden. Auch ist es wichtig, gleich zu Beginn die Rolle der Lehrperson als Coach, nicht als bewertende Lehrkraft, sowie die Selbstverantwortung der Schülerin/des Schülers zu verdeutlichen.

Hier kann es hilfreich sein, sich den gemeinsamen Weg als bildliche Darstellung anzuschauen:

  • Die Schülerin/der Schüler geht den Weg selbst, die Lehrperson begleitet an manchen Wegstrecken.
  • Die Ressourcen der Schülerin/des Schülers liegen als „Schätze“ am Weg und sind durch verschiedene Symbole dargestellt. Die Lehrperson hilft dabei, diese wahrzunehmen, sie zu heben und für das Erreichen des Ziels nutzbar zu machen.
  • Auf dem Weg liegen auch Hindernisse. Diese können durch Rückgriff auf die eigenen Ressourcen überwunden werden. An diesen Stellen kann die Lehrperson den Schüler/die Schülerin besonders unterstützen.
Weg-Poster nach Christine Neumann

Weg-Poster nach Christine Neumann

Besonders zu Beginn des Erstgesprächs empfiehlt sich die Nutzung der Methode „Skalierung“, um eine Standortbestimmung vorzunehmen.


Folgende Fragen können dabei zum Beispiel gestellt werden:

Auf einer Skala von 1–10:

  • Wo stehst du gerade im Lernen?
  • Wohin möchtest du?
  • Was ist dein nächster Schritt?


Wenn möglich, sollte die Skalierungsfrage durch eine Positionierung im Raum beantwortet werden. Der Schüler/die Schülerin verortet sich dafür auf einer imaginierten Skala, bei der zum Beispiel die Tür der Punkt 0 und ein Fenster der Punkt 10 sein kann. Diese räumliche Einordnung intensiviert das emotionale Erleben.

Im Gespräch bleiben

Die Folgegespräche mit der Schülerin/dem Schüler werden während der Teilnahme an der Drehtür in regelmäßigen Abständen geführt. Sie sollten an Wegpunkten ansetzen, an denen mit Hindernissen gerechnet werden kann – sofern dies organisatorisch möglich ist.

Wichtig ist es, zum Ende jedes Einzelgespräches mit dem Coachee auf das bisher Erreichte zu blicken. Die Methode „Skalierung“ eignet sich sowohl zu Beginn als auch am Ende der einzelnen Folgegespräche, um den Fortschritt zu verdeutlichen. Anhand der Grafik auf dem Weg-Poster können die bereits zurückgelegten Wegstrecken jeweils markiert und so die nächsten kleinen Schritte in den Blick genommen werden.

Folgende Fragen können dabei hilfreich sein:

  • Was nimmst du dir bis zum nächsten Gespräch vor?
  • Hast du alles, was du dazu brauchst?
  • Wie geht es dir jetzt?
  • Wo stehst du jetzt auf der Skala von 1 bis 10?
  • Wann soll der nächste Gesprächstermin sein?

Am Ende des Einzelgespräches könnte der Coachee auch angeregt werden, sich den Schritt-Plan aus der WOOP-Methode als ein „To-do“ für das Folgegespräch vorzunehmen. Es sollte darauf geachtet werden, dass es sich dabei um einen kleinen Schritt handelt und der Coachee das entsprechende „Rüstzeug“ für diesen nächsten Schritt hat. Als Rüstzeug können alle Ressourcen des Coachees herangezogen werden.

Ressourcen entdecken

Zum Entdecken von Ressourcen, die auf der Wegstrecke liegen, eignen sich alle Arten von ressourcenorientierten Gesprächstechniken und Fragestellungen, wie etwa: Wer/was kann dir auf dem Weg helfen? Wie kannst du diese Ressourcen für dein Ziel nutzen? Die ressourcenorientierten Fragen sollen die Schülerin/den Schüler ermutigen, sich der eigenen Kraftquellen und Schätze bewusst zu werden und sie in die Lage versetzen, diese zu nutzen. Auch eine Ressourcen-Mind-Map kann der Schülerin/dem Schüler dabei helfen, eigene Ressourcen zu finden.


Um Hindernisse, die auf dem Weg liegen können, zu identifizieren, können der Schülerin/dem Schüler beispielsweise folgende Fragen gestellt werden: Welche Hindernisse könnten auf deinem Weg liegen? Wie kannst du sie umgehen bzw. aus dem Weg räumen?

Vorhersehbare Hindernisse überwinden

Nachdem die Hindernisse identifiziert wurden, ist die WOOP-Methode äußerst hilfreich, um mit ihnen umzugehen. WOOP ist ein Akronym für
Wish (Wunsch)
Outcome (das bestmögliche Ergebnis)
Obstacles (persönliche Hindernisse)
Plan (Wenn-dann-Plan).

„WOOP ist eine wissenschaftlich fundierte mentale Strategie, mit der Menschen ihre Wünsche finden und erfüllen, Präferenzen festlegen und ihre Gewohnheiten ändern können“ (siehe https://woopmylife.org/de/home).

Diese Methode wurde von der Hamburger Psychologie-Professorin Gabriele Oettingen entwickelt und ihr Nutzen mithilfe von zahlreichen Studien untermauert. Sie zeigt auf, dass positives Denken und allein der Wunsch (wish), das bestmögliche Ergebnis (outcome) zu erreichen, nicht zur Zielerreichung führt, da sich stets Hindernisse (obstacles) auf dem Weg befinden. Zielführend ist letztlich der Plan (plan), die vorhersehbaren Hindernisse zu bewältigen: Wenn ich dem Hindernis X begegne, dann ergreife ich Maßnahme Y. Die WOOP-Methode ist grundsätzlich lösungsorientiert und knüpft an die persönlichen Ressourcen zur Bewältigung von Hindernissen an. Für die Nutzung dieser Methode ist für die Schüler:innen die kostenfreie WOOP-App äußerst attraktiv.

Gute Begleitung wirkt

Erfahrungen haben gezeigt, dass Schüler:innen, die während der Durchführung des Drehtürmodells gut begleitet und gecoacht wurden, sehr viel mehr von dieser Maßnahme zur Begabungsförderung profitiert haben und sowohl fachlich/kognitiv als auch sozial/emotional den Anschluss an den Regelunterricht gefunden haben.

Die Anzahl der Folgegespräche ist individuell von der Art und Dauer der Drehtür, dem Alter der Schülerin/des Schülers und dem jeweiligen Ziel abhängig: Zum Beispiel wären bei einem längerfristig angelegten gleichzeitigen Erlernen zweier Fremdsprachen am Gymnasium in der Sekundarstufe I wesentlich mehr Einzelgespräche notwendig als bei der Begleitung einer Grundschülerin/eines Grundschülers bei einem zeitlich eng begrenzten Drehtürmodell-Projekt zu einem speziellen Thema.

Reflexion zum Abschluss der Drehtürmaßnahme

Das Abschlussgespräch am Ende des Drehtürmodells dient sowohl der Reflexion des Drehtürmodells als auch der Unterstützung zur Rückführung in den regulären Klassenunterricht. Bei der Reflexion ist auch der Aspekt der Nachhaltigkeit von großer Bedeutung: Da ein Drehtürmodell fast immer zeitlich begrenzt ist, sollte die Zeit danach in den Blick genommen werden, zum Beispiel durch Reflexionsfragen: Wie hast du die Teilnahme am Drehtürmodell erlebt? Was war gut, wo gab es Hindernisse auf deinem Weg? Welche Schätze nimmst du mit? Bei jüngeren Schüler:innen eignen sich zur Reflexion auch Wettersymbole, mit denen sich die einzelnen Wegstrecken bildhaft beschreiben lassen: Wo waren die dunklen Wolken? Wann kam die Sonne wieder hervor? Gab es einen Sturm oder war es ein erfrischender Wind?

Keinesfalls sollte die Bedeutung der Rückführung unterschätzt werden. Potenzielle Ängste der Schülerin/des Schülers bezüglich des versäumten Unterrichts und mehr noch die Reaktion der Mitschüler:innen müssen daher vor Beendigung des Drehtürmodells thematisiert werden: Was beschäftigt dich, wenn du wieder in den regulären Unterricht zurückgehst – in Bezug auf das Lernen im Unterricht? In Bezug auf deine Mitschüler:innen? Wobei wünschst du dir Unterstützung? Von wem?

Christine Neumann hat zusätzlich zum oben gezeigten Weg-Poster einen Leitfaden entwickelt, den Sie für Gespräche mit Schüler:innen verwenden können. Beide Dokumente können Sie herunterladen oder direkt ausdrucken.

Unsere Autorin

Christine Neumann
ist Koordinatorin für individuelle Förderung und Begabungsförderung bei der Bezirksregierung Arnsberg und Trainerin für Lerncoaching bei Nicolaisen & Partner.